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Beratungsfolge

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Sachverhalt
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Rechtlich/fachliche Würdigung:

 

Zum 01.02.2021 tritt die Änderung der Bayerischen Bauordnung in Kraft. Neben zahlreichen weiteren Änderungen und Anpassungen umfasst diese Novelle auch eine generelle Neufassung des Abstandsflächenrechts. Da diese Thematik für die bauliche Entwicklung der Gemeinden von grundsätzlichem Interesse ist, wollen wir hierüber kurz wie folgt informieren.

 

Hier die Änderungen zusammengefasst in aller Kürze:

 

  1. die Tiefe der Abstandsflächen verringert sich von 1,0 H auf 0,4 H, mindestens jedoch 3 m. In Industrie und Gewerbegebieten verringert sich die Tiefe der Abstandsfläche von 0,25 H auf 0,20 H, mindestens 3 m.
  2. das bisherige 16-Meter-Privileg (wonach bei 2 Wänden unter 16 m Länge die halbe Abstandsfläche genügt hat) entfällt ersatzlos.
  3. die Ermittlung der Berechnungsgrundlage "H" verändert sich: bisher entsprach „H“ der Wandhöhe, die Höhe von Dächern wurde bei einer Dachneigung bis 45 Grad überhaupt nicht, von 45 bis 70 Grad zu einem Drittel und darüber hinaus voll angerechnet. Künftig wird die Höhe von Dächern der Wandhöhe immer zu einem Drittel, ab einer Dachneigung von 70 Grad voll hinzugerechnet.
  4. Bei Giebelwänden wurde die Giebelhöhe bisher zu einem Drittel angerechnet, ab 70 Grad Dachneigung voll. Künftig werden Giebelwände immer voll (also bis zum Dachfirst) angerechnet.

 

Wenn man diese Änderungen betrachtet stellt man fest, dass sich zwar die Tiefe der Abstandsflächen verringert, aber aufgrund der geänderten Bemessungsgrundlage "H" trotzdem im Einzelfall zumindest theoretisch größere Abstandsflächen zustande kommen können, als nach der bisherigen Regelung.

 

Für Gemeinden, die mit der neuen Regelung nicht einverstanden sind, hat der Gesetzgeber jedoch eine Lösung angeboten: hierzu gibt es nun eine Ermächtigung, wonach eine Gemeinde eine Satzung erlassen kann, in der die bisherige Tiefe der Abstandsflächen beibehalten werden kann. Dies klingt zwar zunächst gut, jedoch steckt auch hier der Teufel im Detail: die Ermächtigung für dieses Satzungsrecht tritt erst am 15.01.2021 in Kraft, so dass eine entsprechende Satzung erst ab diesem Tag erlassen werden kann.

 

Die Änderung der BayBO mit der geringeren Abstandsflächentiefe tritt dagegen bereits am 01.02.2021 in Kraft. Wenn die Gemeinde jedoch die bisherigen Abstandsflächentiefen per Satzung anordnet, nimmt sie somit theoretisch Baurecht weg und macht sich nach der gängigen Rechtsprechung im Einzelfall schadenersatzpflichtig. Aus diesem Grunde weisen der Bayerische Gemeindetag sowie der Bayerische Städtetag daraufhin, dass eine solche Satzung spätestens mit Neuerlass der BayBO am 01.02.2021 in Kraft treten muss, um hier nicht möglichen Schadenersatzansprüchen ausgesetzt zu werden.

 

Problem hierbei ist aber, dass eine solche Satzung eine konkrete städtebauliche Begründung enthalten muss, die auf die vorhandenen örtlichen Raumstrukturen abstellt und konkret begründet, warum für eine Gemeinde als Ganzes oder nur für Teile eines Gemeindegebietes das neue Abstandsflächenrecht nicht angewendet werden soll, sondern eine Beibehaltung der bisherigen Abstandsflächen notwendig ist. Hierfür ist eine genaue und strukturierte städtebauliche Analyse des Gemeindegebietes durchzuführen, um daraus dann eine stichhaltige Begründung für die Satzung ableiten zu können.

Eine solche Analyse kann nur durch ein Fachbüro, beispielsweise OPLA in Augsburg durchgeführt werden.

Es versteht sich von selbst, daß eine solche städtebauliche Untersuchung nicht von heute auf morgen durchführbar ist. Eine fachlich fundierte und belegbare städtebauliche Analysebenötigt einen Zeitaufwand von mindestens 4 bis 6 Wochen.

Damit ist das Zeitfenster, bis zu dem die Satzung erlassen werden muss (01.02.2021), nicht haltbar und es ist schon vom Ansatz her nicht möglich, eine rechtlich fundierte Satzung zu erlassen.

 

Darüber hinaus würde eine solche Satzung auch weitere Probleme aufwerfen:

die Gemeinde kann in der Satzung nämlich nur die Tiefe der Abstandsflächen nach der bisherigen Regelung anordnen. Die geänderte Bemessungsgrundlage nach der neuen BayBO (also z. B. Anrechnung der Dachflächen immer zu 1/3) kann die Gemeinde dagegen nicht ändern. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass - soweit die Gemeinde eine entsprechende Satzung erlässt - sich die Abstandsflächen im Vergleich zu vorher in der Regel vergrößern werden.

Ob sich aus dieser Tatsache ebenfalls Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinde ableiten lassen, kann derzeit weder der Gemeindetag noch der Städtetag verbindlich sagen, da hierfür derzeit logischerweise noch keine Rechtsprechung vorhanden ist.

 

Fazit:

Nach Ansicht der Verwaltung ist die Ermächtigung zum Erlass einer Abstandsflächensatzung, die das alte Recht beibehält, mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten behaftet und es stehen zahlreiche Fragen im Raum, die derzeit nicht geklärt werden können (z. B. Schadenersatz usw.). Darüber hinaus ist die Gesetzesänderung so gefasst worden, daß allein schon aus zeitlichen Gründen eine rechtlich haltbare Satzung nicht erlassen werden kann, da schlichtweg die Zeit für eine fundierte Ausarbeitung der Begründung fehlt.

 

Mit den Änderungen der BayBO und deren Inkrafttreten stellt der bayerische Gesetzgeber die Kommunen damit mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen. Denn entgegen den bisherigen Aussagen, nach denen das neue Abstandsflächenrecht erst in einem Jahr in Kraft hätte treten sollen, wurde erstmalig am 02.12.2020 publiziert, daß dieses nunmehr bereits am 01.02.2021 – zusammen mit den übrigen Änderungen der BayBO – in Kraft treten wird. Bereits seit die Änderungen im Abstandsflächenrecht bekannt wurden, stellten sich zahlreiche Fragen zur Neuregelung und zur möglichen Beibehaltung der bisherigen Regelung durch Satzungserlaß. Der Bayerische Gemeindetag hat jedoch bis heute keine befriedigende Aussage zu den offenen Fragen vom Gesetzgeber erhalten – stets mit Verweis auf die auskömmliche Übergangsfrist von einem Jahr.

Stattdessen haben Städte und Gemeinden nun die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen. Sie müssten in der Zeit des Jahreswechsels unter pandemischen Herausforderungen bis Mitte Januar eine Satzung mit einer fundierten städtebaulichen Begründung vorbereiten und sie mit notwendigen Gemeinderatsbeschlüssen und Bekanntgabe zum 01.02.2021 in Kraft setzen.

Diese Vorgabe und das damit verbundene Zeitfenster ist völlig praxisfremd und lässt die Kompetenz des Gesetzgebers zumindest in diesem Punkt in einem fragwürdigen Licht erscheinen.

 

Zusammengefaßt betrachtet ist nach Ansicht der Verwaltung der Erlaß einer rechtlich haltbaren und begründeten Satzung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Diese Ansicht der Verwaltung teilten auch alle bisher hierzu von der Verwaltung kontaktierten Fachpersonen (Planer, bay. Städtetag, Landratsamt).

 

Unabhängig davon hat die Verwaltung trotzdem einen Satzungsentwurf erstellt, der als Anlage beigefügt ist. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die hierin aufgeführte Begründung allein von der Verwaltung erstellt wurde und hierfür keine fundierte städtebauliche Untersuchung zugrunde liegt. Nach Ansicht der Verwaltung ist die Satzung somit rechtlich angreifbar und es wird aus diesem Grunde von einem Erlaß abgeraten.

 

Außderdem haben wir in der Satzung für die Tiefe der Abstandsfläche ein Maß von 0,7 H gewählt und haben somit auf eine Festsetzung des aktuell noch gültigen Maßes von 1,0 H verzichtet. Dies ist darin begründet (siehe auch Ausführungen weiter oben), daß durch die geänderten Ermittlungsgrundlagen für das Maß „H“ in der neuen BayBO ansonsten größere Abstandsflächen als bisher zustande kommen würden. Mit einer Festsetzung von „H“ mit 0,7 können dagegen die Abstandsflächen in etwa auf dem bisher geltenden Umfang beibehalten werden.

Der Gemeinderat kann dieses Maß jedoch frei zwischen 0,4 und 1,0 H wählen.

 

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Beschlussvorschlag
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Der Marktgemeinderat nimmt die Ausführungen zu den neuen Abstandsflächen zur Kenntnis. Auf den Erlaß einer Abstandsflächensatzung wird verzichtet.

 

Alternativbeschluß:

Der Marktgemeinderat nimmt die Ausführungen zu den neuen Abstandsflächen zur Kenntnis und beschließt den Erlaß er als Entwurf beigefügten „Satzung über abweichende Maße der Tiefe der Anstandsflächen“ . Das Maß der Abstandsflächentiefe in § 2 Satz 1 der Satzung wird dabei mit ____ H festgesetzt. Der beigefügte Satzungsentwurf ist Bestandteil dieses Beschlusses. Dem Marktgemeinderat ist bewußt, daß die Satzung aufgrund des dargestellten Sachverhalts mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten behaftet ist und die Verwaltung daher von einem Erlaß abrät, er beschließt gleichwohl trotzdem den Satzungserlaß.

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Anlage/n
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Information des Landratsamtes an die Kommunen

Berechnungsbeispiel

Vergleich Abstandsflächen

Satzungsentwurf vom 20.01.202

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